Wohnkolonie Industrie I /// Der Pionierbau

Transkription Interview Familie S.

Der erste Eindruck

[MG: Was für einen Charakter hatte es, was für einen Eindruck hatten Sie, als Sie hier das erste Mal waren?]
C: Der erste Eindruck [der Mutter] war sehr schön und was aber Probleme machte, war der Gedanke: wir sind die ersten Italiener in dem Haus und sonst alles Schweizer. Wir sprechen hier von den 70er Jahren, … "Bünzlizüri"…

Wohnen im Eisenbahnerblock: 1980er, 1990er Jahre und heute

Als sie hier eingezogen sind, haben viele Eisenbahner hier gewohnt?
C: Hier waren alle von der SBB. Vom Fahrleitungswerk zum Lokführer, alles.
Wann hat sich das geändert?
C: Ab den 90er Jahren. Da gab es einen Generationswechsel. Das war ein Hauptgrund. Als sich die BEP auch öffnen musste für andere Leute.
Mit der Drogenszene kam auch ein Wandel, da sind viele weggezogen. Sie sind in andere Quartiere oder ausserhalb der Stadt.
C: vor 2006, war das eine typische Arbeitersiedlung. Angefangen eben mit den Einwanderern und dann kam die zweite Generation. Es war buntgemischt, Spanier…
C: Da hatte es glaube ich zwei Schweizer Familien und die restlichen acht waren Ausländer.
B: Der Ausländeranteil war sehr hoch vor 2006. Und dann durch die Renovation hat sich die ganze Bewohnerschaft verändert: Viele Schweizer Familien mit hohem Einkommen, zum Beispiel, oder Deutsche, das ist so der Trend momentan.

Wohnen in der Altbauwohnung mit Neubaukomfort — Wohnen zu zweit

[Haben Sie die Möbel von Anfang an so gestellt, wie sie jetzt stehen oder haben Sie noch probiert, wie, was, wo?]
C: Es hat wenig Wandfläche, viel Fensterfläche, deshalb hat es kein typisches Buffet, wie man es kennt…
Hatten sie ein Buffet?
C: Ja, ja, einen riesengrossen Kasten, den konnte man nicht mehr hinstellen.
Der Grundriss ist schon speziell. was mache ich mit solchen Ecken.
B: Und von der Fläche her… viel kleiner als vorher.
C: Man ist rechteckige Zimmer gewohnt, von der Jugend der Eltern bis jetzt, und jetzt kommen die hier mit so verschiedenen Ecken.
Am Anfang hat es ihr überhaupt nicht gefallen, denn sie [Mutter] war sich an geschlossene Räume gewohnt, eine geschlossene Küche. Was sie stört, ist, wenn Gäste da sind, dann sieht man alles, das stört sie extrem an einer offenen Küche.
Dein Lieblingplatz?
Mutter: Hier!
Sie sitzt am Tisch, näht, schaut fern, Gespräche.
C: Und das ist sein Platz.
Weil man hinaussehen kann? Was…?
Vielleicht wegen dem Fernseher. Man sieht wenig, man sieht die Sugus-Häuser…
Der Platz der Mutter hat sich so ergeben, als sie in die Wohnung kam.
Welche Räume gab es ausserhalb der Wohnung, die wichtig waren, die Sie benutzt haben?
C: Der Keller war sehr wichtig, erstens auch für die Lagerung von Lebensmittel und Werkstatt vom Vater.
Also war das ein richtiger Raum, nicht nur so ein Kellerverschlag, wie man ihn sonst kennt mit so Holzlatten?
V + C: Doch, aber ziemlich gross, mit Regalen. Man hat es sich schon bequem gemacht unten, mit Regalen und so, man hatte nicht nur den Raum. Man hat schon gebastelt. Der Raum wurde für Reparaturen von Möbeln, Stühlen etc. genutzt.
Ein Rückzug war das auch? Erholung von der Familie?
C: Kann man so sagen, ja. Vielleicht auch Erholung von der Arbeit.
B: Abschalten vielleicht.
C: Die alten Erinnerungen holen, was er früher gemacht hat in Italien im Jugendalter.
Welche Räume ausserhalb der Wohnung sind noch wichtig für Sie? Der Hof zum Beispiel, benutzen Sie den jetzt, oder haben Sie ihn früher mehr benutzt? Oder Räume vor dem Haus, gibt es etwas, was ausserhalb der Wohnung wichtig ist für die Eltern?
C: Bei dieser Siedlung ist der Hof überhaupt nicht interessant für die Eltern. Es ist für Kinder, der Kinderspielplatz wird oft benützt…
Jeder Mieter, der keinen Balkon hat, hat einen Anspruch auf die Terrasse.
Die Eltern haben ihre der Nachbarin gegeben, die hat jetzt sie eine doppelt so grosse Terrasse.
Sie sind keine Terrassennutzer, sie kennen das gar nicht. Sie haben den Schrebergarten und das ist eigentlich das Freizeitrefugium, wo man raus geht. Man geht nicht auf die Terrasse.
B: Bei schönem Wetter im Sommer gingen wir immer in den Schrebergarten.

Wohnen mit der Familie

[Gab es Überlegungen, warum in welchem Zimmer… die Zimmer sind ja fast alle gleich… was in welchem Zimmer stattfand?]
C: Ich denke, das Wohnzimmer war immer klar definiert damals. Erstens wegen dem Kabelfernsehen und Telefon, das war immer im Wohnzimmer.
B: Jeder Mieter hatte hier das Wohnzimmer.
C: Es war irgendwie schon definiert vom Bau her, von der Technik her.
Die Grundüberlegung [für die anderen Zimmer] war die Grösseneinteilung. Das Kinderzimmer 2 war grösser, da hatten zwei Betten Platz für uns zwei, die Schwester war im Kinderzimmer 1 und die Eltern hier bei der Tür, damit sie merken, wer rein- und rausgeht, oder wann wir nach Hause kommen. Kontrollfunktion.
Die Küche war nur zum Essen da in der alten Wohnung, und das Leben hat sich im Wohnzimmer abgespielt.

“Little Italy” im Industriequartier

C: Mitte 80er Jahre hat sich das alles geändert, es ist ein sehr lebhaftes Quartier geworden. Die Ausländer haben sich daran gewöhnt, haben sich in das ganze System eingelebt. Die Josefstrasse war Little Italy damals.
M: La Casa d'Italia an der Erismannstrasse. Die katholische Kirche an der Feldstrasse. Die ECAP, eine italienische Weiterbildungsschule. Man kann dort auch wählen gehen, wenn in Italien Wahlen sind.
An der Josefstrasse gab es viele italienische Läden…
C: Es wurde auch für die Jugendlichen ein Spielplatz. Man hat sich getroffen von den anderen Seiten. Im Sommer sass man dann auf der Bank und hat andere Leute gekannt aus anderen Siedlungen. Es sind ja alles Genossenschaften dort unten.
Gibt es noch andere Räume, wo ihr als Kinder herumgestreift seid?
C: Die Josefswiese. Die Viadukte waren auch interessant für uns. Der Letten, der obere Letten im Sommer, baden gehen. Der Escher Wyss Platz, unterirdisch, da gab es ja diese Passerelle, das war auch witzig.
Der Innenhof, man hat dort eine Heizzentrale im Innenhof von der Nummer 59, und dort hat es eine sogenannte Belüftungs- und Entlüftungsanlage, so ein Riesentisch auf dem Platz, der aber eigentlich ein Kamin ist. .. die Eltern hatten überhaupt keine Freude. Da haben wir mit den Nachbarn Blödsinn gemacht.
B: Das Quartierhaus war auch noch ein Treffpunkt.
C: Der Jugendtreff am Sihlquai. Der war sehr wichtig für uns. Der war auch in der Nähe vom Schulhaus. Und der Klingenhof. Ich habe noch ein bisschen die Wolgroth gestreift.
Du wohnst ja weiter im Quartier, in der alten Siedlung. Wieso bist du hier geblieben?
B: Für mich hat der Kreis 5 eine Bedeutung, mir gefällt es im Kreis 5 zu wohnen. Auch finanziell, es sind günstige Wohnungen. Für eine Dreizimmerwohnung 800 Fr. ist nicht viel. Und auch die Lage.
Und was für eine Bedeutung hat der Kreis 5 für dich?
Für mich bedeutet der Kreis 5: Jugend, Schulzeiten, in der Berufsschule war ich auch hier. Ich habe alles im Kreis 5 erlebt. Ein enger Bezug. Ich könnte es mir im Moment noch nicht vorstellen, in ein anderes Quartier oder aufs Land zu ziehen.

Daheim sein

C: Ich denke schon, dass für die Eltern, die Stadt Zürich, also Kreis 4/5 eine Bedeutung hat. Dort fängt es an. Das, was man kennt seit Jahrzehnten, das macht das "nach Hause"-Gefühl.
Und ist es bei Ihnen (Vater) gleich?
V + C: Ähnlich, von der Arbeit her. Der Heimweg, das ist so ein Ritual, wenn man Sachen sieht oder Gedanken hat: man sieht wieder die Frau, oder… das, was man kennt. Ich glaube schon, dass die Stadt Zürich, das heisst der Kreis 5 für die Eltern eine grosse Bedeutung hat…was sie seit Jahrzehnten kennen ist für sie das Daheimsein.

Transkription Wohnungsrundgang Familie S.

Intro

Man schaute für die langjährigen Mieter, von der Vermieterseite her, dass sie eine gute Wohnung bekommen.

Arbeits- / Gästezimmer

Das ist sein Arbeitszimmer, seit neustem mit Computer. Und Gästezimmer oder für die Enkel. Und Bügeleisen, Bügelbrett. Ein Schrank, in dem Akten sind, das Büro eigentlich, und das ist ein Reserveschrank, wo die Mutter alles… das Spielzeug von den Kleinen aufbewahrt, wenn Besuch da ist. Zum Teil sind noch unsere Spielsachen drin.
Ich erinnere mich, im ersten Moment waren sie schockiert: die ganze Wohnung ist klein, dann die Böden in den Schlafräumen, dieser Linoleum in diesen Farben.

Schlafzimmer

Was sie [die Mutter] stört, ist der Grundriss, denn sie kann den Schrank nicht richtig platzieren in diesem Raum.
Bei der Wohnungsbesichtigung ist ihr der Boden aufgefallen, der hässliche grüne Boden, und sie wollte den wechseln lassen, aber das ging leider nicht.
MG: Die Aussicht hier aus dem Schlafzimmer, ist das nah? Wie intim fühlt sie sich in diesem Zimmer? Machen die Fensterläden nachts auch zu?
M: Wenn ich zu Hause bin, öffne ich einen Laden, aber am Abend habe ich schon Angst.

Küche / Wohnzimmer

MG: Was ist wichtig in dem Raum?
Der Fernseher
M: Ich finde es ein bisschen problematisch, wenn Besuch da ist, es stört, wenn man die Unordnung in der Küche sieht, das schmutzige Geschirr, das ärgert ein bisschen
C: Die Küche wird wahrgenommen als ein Arbeitsort und darum ist es ein Störfaktor.
M: Hier lese ich auch, lese Zeitung, das ist mein bevorzugter Platz.
C: Eigentlich kann man sagen, hier macht sie alles, was im sitzen möglich ist.
M: Dieses Treppchen ist immer da, wenn ich etwas von da oben nehmen muss.
Aber ich bin zufrieden mit der Küche.
Dieses Glas ist einfach zu reinigen, damit bin ich sehr zufrieden, auch der Kühlschrank ist genug gross.
Geschirr habe ich auch noch hier.
Was mich stört, dass ich immer die Treppe nehmen muss, um Geschirr zu verräumen, das ärgert mich sehr, deshalb ziehe ich es vor, die Sachen dorthin zu räumen.

Dusche / WC

Also, wenn zwei Personen da drin sind, kann man nicht aneinander vorbei gehen, dann ist es zu klein.
Es ärgert, wenn man Besuch hat, dann muss man hier vorbeigehen, um ins Bad zu gelangen. Man hört zwar nichts, wenn man die Tür schliesst, auch wenn man spült, es ist schon gut isoliert.

Eingangsbereich

Ist in dem Schrank auch eine Garderobe?
Nein. Das wurde zu einem Putzschrank und hinter dem Putzschrank ist die ganze Elektroanlage. In der alten Küche hatte man einen Putzschrank und in der neuen eben nicht. Das war auch nicht vorgesehen. Das haben sie verpasst.
Man musste viel improvisieren.

Rundgang durchs Haus

Der Keller ist nicht einfach nur ein Abstellraum, sondern Hobbyraum auch. Und es muss Ordnung sein, damit alles Platz hat.
Für Kleinarbeiten…
Alle Wohnungen unterirdisch verbunden sind, was früher nicht so war, und für alle zugänglich sind. Wenn ich von der Fabrikstrasse an die Röntgenstrasse 39 möchte, kann ich alles unterirdisch machen. Das war ja früher nicht so, jeder Block war abgetrennt baulich. Heute ist alles offen, auch im Estrich.
Gibt es einen Waschplan?
Nein, nein, da kann wachen wie man will
Das ist nun die Terrasse, die den Mietern ohne Balkon zugesprochen wurde.
Meine Eltern nutzen die kaum…
Anfangs hatte jeder seinen eigenen Sonnenschirm, dann kam die Denkmalpflege und wollte alles einheitlich haben, dann habe sie die Storen gemacht.

Grundriss

Lage

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